Die Einheimischen nennen sie “Birignoccoluti”(knollige Form), andere sagen “confetti a riccio” (Igelformig) – es kommt auf das Gleiche heraus, alle sprechen sie vom Konfekt von Pisa. Die Stücke sind weiß und haben verschiedene Größen – 5, 10, 20 g bis hin zu Mammutstücken von 100 und 150 g. Durch ihre runde, unregelmäßige und knollige Form unterscheiden sie sich wirklich von allem, was sonst noch auf dem Markt ist. Die einzigartige Form führt uns zurück zu den Ursprüngen des Konfekts – das erste, das es bei uns zu kosten gab (es hatte in etwa die gekräuselte Form von Kreppapier), kam im 12./13. Jahrhundert aus dem Orient nach Italien. Venezianische Händler hatten diese Köstlichkeiten von ihren Reisen mitgebracht. Im oströmischen Reich war es einst bei den Festen gute Gewohnheit, dass die Adligen sie von den Balkonen in die feiernden Massen warfen; durch ihre kräuselige Form, die noch heute charakterisch ist für das Konfekt aus Pistoia, ließen sich beim Fallen auf die Erde Beschädigungen vermeiden.
Die ersten Notizen über das Konfekt von Pistoia stammen aus dem Mittelalter, als die anici confecti (so wurden diese Konfektspezialität damals genannt) am 25. Juli 1372 bei einem Essen des Instituts Opera di San Jacopo für den Schutzpatron der Stadt den weltlichen und kirchlichen Würdenträgern vorgesetzt wurden. Sie wurden von der Corporazione dei Medici (Ärztegilde) und den Gewürzhändlern für die mächtige Opera di San Jacopo hergestellt und sollen nicht nur verdauungsfördernde Eigenschaften gehabt haben, sondern darüber hinaus auch eine Heilwirkung gegen die Pest.
Für das Originalrezept des Pistoia-Konfekts benötigt man Wasser, Honig und einen Aniskern (und nichts anderes); erst später ist man dazu übergegangen, auch Mandeln, kandierte Früchte und Schokolade zu verwenden. Die besondere Form ist bedingt durch die Herstellung, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts (als die ersten Zuckerfabriken aufkamen) unverändert geblieben ist. Seit jener Zeit wird Zucker statt Honig zur Herstellung verwendet. In rotierenden Kupfertöpfen, den sogenannten Bassine (früher benutzte man Kupferkessel) wird der Kern des Konfekts mit einer ersten Puderzuckerschicht, der sogennanten “imbastitura a velo” überzogen. Danach gibt man aus einem Trichter langsam (zu Anfang in Fäden hinterher tropfenweise) in Wasser aufgelösten Zucker, der zu der gekräuselten Form führt, dazu. Mindestens 10 Stunden sind nötig, bis das Konfekt von Pistoia so ist, wie es sein soll: Gegenüber dem klassischen Konfekt (dem in Bohnenform), von dem die modernen Maschinen im Laufe von wenigen Minuten Hunderte herstellen können, eine lange und teure Arbeit – und alles per Hand gemacht. Die hohen Herstellungskosten sind es denn auch gewesen, die zusammen mit einem radikalen Wechsel der Bräuche und Gewohnheiten zu einem vollständigen Niedergang der Konfektproduktion in Pistoia geführt haben.In den 60er Jahren hat die Bonbonniere (die nur wenige Stücke Konfekt enthält) den schönen Brauch, der bis dahin gepflegt wurde, nämlich zur Hochzeit kiloweise Konfekt zu kaufen, abgelöst. Es wurde damals außerhalb der Kirche und längs des Weges, den der Brautzug nahm, den Eingeladenen zugeworfen. Heute wird das Konfekt in Pistoia nur noch von zwei Betrieben in Handarbeit hergestellt – ein Nischengeschäft, das sich allerdings in einer stetigen Aufwärtsbewegung befindet. Das confetto di Pistoia kann in den einfachen Tütchen oder in eleganteren Konfektionen verschenkt werden. Es ist und bleibt immer eine Köstlichkeit, die in jeder Situation gute Figur macht. Die traditionelle Variante mit Anis hilft, zu Ende der Mahlzeit verzehrt, der Verdauung.
Auf der Piazza San Francesco kann man in der altehrwürdigen, seit fast hundert Jahren (1918) bestehenden Konditorei mit angeschlossenem Ladengeschäft “Bruno Corsini” neben dem originalen Konfekt mit Anis auch verschiedene andere Varianten erwerben. Aber das erst seit kurzem, wie uns Giorgia Corsini, die Urenkelin des Gründers Umberto, erzählt: „Wir haben mit der Produktion einer neuen Linie begonnen, die aus alten Rezepten gewonnen wurde, mit einem Kern aus Fenchel, Kümmel oder Koreander.“
Auch die etwas jüngere und ebenfalls handwerklich produzierende “Confetteria Pistoiese” stellt Confetti di Pistoia her und hat gleichfalls in den letzten Jahren entschieden, diesen eine Produktlinie mit Süßwaren aus dem Gebiet zur Seite zu stellen.
Bruno Corsini
Piazza San Francesco 42, Pistoia
Website: www.brunocorsini.com
Confetteria Pistoiese
Via Macallè 77/79, Pistoia
Website: www.confetteriapistoiese.com